Experteninterview mit Stephan Streil

Wohngesundes Kinderzimmer

Eltern möchten nur das Beste für Ihre Kinder. Daher wird das Kinder- oder Babyzimmer mit besonders viel Liebe gestaltet. Allerdings sind nicht alle Kindermöbel und jede Wandfarbe „gesund“ für das Kind. Eltern sollten stets auf schadstoffarme Produkte achten. Baubiologe Stephan Streil gibt hierzu wertvolle Wohntipps.

Inhaltsverzeichnis Wohngesundes Kinderzimmer Holzschutzmiitel können Neurodermitis auslösenFlammschutzmittelhaltige Bodenbeläge sind gefährlich

Statistisch gesehen gibt es fast in jeder Familie ein Familienmitglied, das an einer Allergie leidet. Nicht selten sind Kinder davon betroffen. Oftmals ist die Unverträglichkeit auf eine Lebensmittel- oder Tierhaarallergie zurückzuführen.
Aber nicht immer: Auch die eigenen vier Wände können durch sogenannte Wohngifte Unverträglichkeiten auslösen. Weichmacherhaltige Teppichböden und Flammschutzmittel in z. B. Bodenbelägen wirken teilweise hormonell und können bei Extrembelastungen sogar zu Unfruchtbarkeit führen. Babys bis 3 Jahre verbringen ihre Zeit sehr häufig krabbelnd auf dem Boden, daher sollten Eltern unbedingt auf wohngesunde Teppiche und Bodenbeläge achten.

Besonders bedenklich ist, dass sich eine Schadstoffbelastung auch vor der Geburt auf das Kind auswirken kann. Das UFZ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung fand in einer Studie heraus, dass Kinder anfälliger für Allergien und Atembeschwerden sind, wenn sich ihre Mütter während der Schwangerschaft häufig in Räumen aufhielten, in denen neue Bodenbeläge samt Klebern die Luft mit Schadstoffen anreicherten. Ein Grund mehr, um sich über wohngesunde Baustoffe zu informieren.

Interview mit Stephan Streil

Sachverständiger für Baubiologie mit Schwerpunkt Messtechnik

TextÜber den Experten
Stephan Streil beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten beruflich mit gesundem Bauen und Wohnen. Nach Jahren als selbständiger Schreinermeister und Fachlehrer absolvierte er ein Studium der Baubiologie am Institut für Baubiologie (IBN) und qualifizierte sich weiter zum baubiologischen Messtechniker.

Seit 2003 führt er eine baubiologische Beratungsstelle im Westen von München. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen Untersuchungen von Wohnungen, Häusern, Bauplätzen und Büros auf Schadstoffe, Elektrosmog und Schimmel. Menschen zu Hause und am Arbeitsplatz ein gesundes Wohnumfeld zu ermöglichen, das ist seine Berufung. Sein umfangreiches Wissen gibt er auch als Berater, Dozent und Fachautor weiter. Weitere Infos unter: www.baubio-logisch.de

Welche Baustoffe können besonders schadstoffbelastet sein, weshalb man sie nicht im Kinderzimmer verbauen sollte?

Zunächst die gute Nachricht: Bei den aktuellen Baustoffen fällt keine besonders schadstoffträchtige Produktgruppe auf. Doch prinzipiell sind naturnahe Baustoffe vorzuziehen.

Holzschutzmiitel können Neurodermitis auslösenNeurodermitis durch Holzschutzmittel

Ganz anders sieht es bei Altbauten aus. Dort finden wir noch starke Schadstoffbelastungen. Deswegen ist es vor Sanierungen ratsam, baubiologischen Rat einzuholen und verdächtige Materialien zu prüfen. Das können zum Beispiel asbesthaltige Bodenbeläge und Bodenaufbauten sein. Oder krebserzeugende Teere in raumnahen Schichten, die man nicht gleich sieht. Im Bodenaufbau oder in der Dachdämmung können krebserzeugende Mineralfasern stecken. Damals wurden auch noch vermehrt radioaktiv auffällige Baustoffe wie Bimssteine oder Schlacken verwendet.

Ein weiteres Dauerthema in der baubiologischen Praxis sind Belastungen durch Holzschutzmittel und Formaldehyd.

Welche Möbel und Textilien sollte man im Kinderzimmer vermeiden?

Das Kinderzimmer ist ein typischer Daueraufenthaltsplatz. Dort werden im Schnitt 19 Stunden täglich gespielt, gelernt und geschlafen. Deswegen spielt hier das gesunde Wohnumfeld eine große Rolle und der Raum sollte so natürlich wie möglich gestaltet sein. Auf kunstharzbeschichtete Möbel, großflächige Vorhänge und Teppiche aus Synthetik und konventionelle Dispersionsfarben sollte man besser verzichten.

Tipp: Empfehlenswert sind Massivholzmöbel mit gewachster oder geölter Oberfläche und Vorhänge aus Baumwolle oder Leinen, auch wenn diese etwas mehr knittern. Bei der Neuanschaffung von Produkten kann die Nase ein guter Ratgeber sein. Was stechend-chemisch riecht, ist selten schadstofffrei.

Welche Baustoffe empfehlen Sie zum Renovieren von Kinder- und Babyzimmern?

Eltern greifen oft noch kurz vor der Geburt zu Pinsel und Farbe, um das „Nest“ für den neuen Erdenbürger perfekt zu gestalten. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass bei jeder Renovierung chemische Schadstoffe freigesetzt werden, die das Immunsystem des Neugeborenen beeinträchtigen und die Atemwege reizen können. Wählen Sie am besten eine wohngesunde Farbe, wie beispielsweise die von Auro.

Wenn möglich sollte die Renovierung einige Monate früher stattfinden, damit die Stoffe noch ausgasen können. Bei natürlichen Oberflächen wie Lehm- oder Kalkputz, Reinsilikatfarben, Kork und Linoleum auf emissionsarmen Klebern oder schadstofffreien Teppichen aus Naturfasern sollten dann keine Probleme auftreten.
Prüfsiegel können eine erste Orientierung geben, jedoch halten viele nicht das, was sie versprechen. Hier kann eine unabhängige, baubiologische Beratung Licht ins Dunkle bringen.

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Warum und wie sollte man Elektrosmog im Kinderzimmer reduzieren?

HandyrasselBabyrassel, © Diagnose Funk

Moderne Häuser werden zunehmend elektronisch gesteuert. Viele Endgeräte sind mittlerweile vernetzt. Kaum jemand denkt an den damit verbundenen Elektrosmog, der das Immunsystem belasten kann. Da das Immunsystem von Kindern noch nicht vollständig entwickelt ist, sollte man besonders im Kinderzimmer die elektrischen Felder und Strahlen minimieren. Bereits einfache Schutzmaßnahmen sind effektiv.

Ohne Komfortverlust kann ein dauerstrahlendes DECT-Telefon und Babyphone gegen ein strahlungsarmes Modell ausgetauscht werden. Wenn jetzt noch das W-LAN nachts abgeschaltet wird und das Handy des Sprösslings im Flugmodus ruht, ist bereits viel gewonnen.

Von spannungsführenden Kabeln zu Nachttischlampen oder Stereoanlagen sollte man Abstand halten. Also keinen Verteilerstecker und Kabel direkt neben oder unter dem Bett platzieren. Einfach und kostengünstig sind abgeschirmte und abschaltbare Netzsteckerleisten. Noch praktischer sind sogenannte Feldfreischalter, mit denen man die Schlafräume während der Nacht spannungsfrei schalten kann. Ein Kontrolllämpchen zeigt an, ob das Gerät prinzipiell funktioniert. Ob sich die Feldsituation dadurch wirklich und optimal verbessert, kann nur eine professionelle Messung zeigen.

KiTa Messungen Messungen in der Kindertagesstätte, © Stephan Streil

Wie kann man Schimmel im Kinderzimmer am besten vorbeugen?

Vor allem in der kalten Jahreszeit ist Schimmelbildung in vielen Wohnungen ein Problem. Stockflecken oder ein modriger Geruch sind deutliche Alarmsignale und weisen auf ein Feuchteproblem hin. Schimmel an der Wand ist kein Schönheitsmakel, sondern hat eine gesundheitliche Dimension.

VORSICHT: Kinder, die in schimmelpilzbelasteten Räumen aufwachsen, haben ein deutlich höheres Risiko für Atemwegserkrankungen und Allergien. Bei einem Drittel der allergischen Erkrankungen sind Schimmelpilze beteiligt.

Der Schimmel mag es feucht und benötigt organisches Material, um zu gedeihen. Deswegen sind Heizen und Lüften die effektivsten vorbeugenden Maßnahmen. Richtiges Lüften ist keine Hexerei, wenn man die Grundregeln beachtet:

TextEffektives Querlüften, © BENZ24
  • Regelmäßig: vor allem vor dem Zubettgehen und nach dem Aufstehen.
  • Effektiv: Stoß-/Querlüftung – alle Fenster auf und kräftig quer durchlüften. Kippfenster reicht nicht!
  • Angepasst: Je kühler, desto kürzer. Im Winter reichen wenige Minuten.
  • Direkt: Beim Duschen und Kochen entstandene Feuchte am besten sofort nach draußen abführen.
  • Keller: Im Sommer nur nachts bzw. in den frühen Morgenstunden lüften, sonst droht Kondensation an den kühlen Kellerwänden.

Zusätzlich sind schimmelpilzhemmende Oberflächen sinnvoll. Zum Beispiel ein Kalkputz und darauf eine Kalk- oder Reinsilikatfarbe. Diese Materialien sind alkalisch und bieten dem Schimmel auf lange Sicht kaum eine Chance. Außerdem verbessern sie das Raumklima und geben keine Schadstoffe ab.

Was kann man für die richtige Lichtintensität und Lichtfarbe im Kinderzimmer unternehmen?

Tageslicht ist künstlichem Licht generell vorzuziehen. Ein nach Süden oder Westen orientiertes Kinderzimmer bietet ausreichend Tageslicht und macht das Zimmer hell und freundlich.

Für den Schreibtisch bietet sich die direkte Beleuchtung durch eine Federzugleuchte an. Empfehlenswerte Leuchtmittel sind Hochvolt-Halogenbirnen. Sie strahlen – ganz im Gegensatz zu den meisten LED’s und Energiesparlampen – keinen hochfrequenten Elektrosmog ab und punkten mit einer naturnahen Lichtfarbe.
Nach Möglichkeit geschirmte Kabeln und Leuchtmittel verwenden und auf Trafos in der Nähe von Daueraufenthaltsplätzen verzichten.

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